25.Juli 2017 - Tag 60 - haase-news

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25.Juli 2017 - Tag 60

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Gestern Abend habe ich zuerst meine Vorräte im Supermarkt aufgestockt und dann im kleinen Lokal gegessen, das zufällig ( ) der Tochter meiner Wirtin gehörte. Das Essen war aber wirklich gut und preiswert und wurde mit großer Liebenswürdigkeit serviert. Die (recht junge) Tochter und ihr Mann wollen nicht für immer in Frankreich bleiben, aber auch nicht zurück ins United Kingdom, sondern nach Möglichkeit nach Kanada auswandern.

Martina war schon in ihrem Zimmer, als ich zurückkam. Ich stellte die empfindlichen Lebensmittel (eine Flasche Ananassaft und eine Packung Tiramisu) in den Kühlschrank und schrieb ihr einen Zettel für den Fall, dass ich schon unterwegs wäre, wenn sie aufstände: Dass nämlich ganz sicher eine halbe Flasche des Saftes und die zweite Schale der Packung Tiramisu übrig seien und sie sich doch bitte bedienen solle.

Tatsächlich war sie noch nicht auf den Beinen, als ich mir mein Frühstück machte. Aber bevor ich aus dem Haus war, tauchte sie auf. Sie freute sich über die zusätzlichen Dinge zum Frühstück. Da ich von gestern Nachmittag schon wusste, dass sie zumindest am Anfang lieber allein auf dem Weg sein wollte, brach ich auf.

Der Weg verlief zunächst ziemlich normal: ein kleines Stück Straße, dann nach links in den Wald. Danach ging es auf einer kleinen Straße nach Marsac, wo ich mir die Kirche ansehen konnte. Der Ort war viel größer, als ich gedacht hatte. Auf einer Straße ging es nach Süden aus ihm hinaus. Bald schon erreichte ich (auf kleinen Straßen eher leicht steigend) les Rourges und etwas später Arrènes.

Hier war die Kirche verschlossen, aber ein alter Mann sah mich vom Auto aus, fragte, ob ich hinein wolle. Ich bejahte, und er schloss für mich die Tür auf. Eine schöne alte Kirche, und auch noch in recht gutem Zustand! Draußen setzte ich mich auf eine Bank und aß etwas. Ich war vielleicht 20 Meter vom Weg entfernt und sah plötzlich Martina vorbeigehen. Ich winkte, aber sie war so auf die Wanderzeichen konzentriert, dass sie mich nicht sah. Bis ich meine Sachen zusammen gepackt hatte (sehr beeilt habe ich mich nicht, sie wollte ja allein sein), war sie schon nicht mehr zu sehen.

Also machte ich mich wieder auf den Weg. Es ging gleich wieder bergauf, und meine Samsung App teilte mir mit, dass ich eine Höhe von 500 m erreicht hätte. Hm, 500 Meter! Ich konnte mich nur an eine Stelle erinnern, an der das Höhenprofil solch eine Höhe ausgewiesen hatte. Ich hatte in den letzten Tagen gar nicht darauf geachtet, wie weit ich auf dem Weg gekommen war. Wenn das jetzt die Stelle war, erwartete mich noch etwas.

Tatsächlich wurde der Weg als Waldpfad immer steiler. Und irgendwie stieg meine Laune immer mehr an. Als Mittelgebirgskind fehlt einem im Flachland eben doch etwas.

Als ich endlich oben war, sprach die Samsung App von 675 Metern. Das konnte sich sehen lassen. So hoch war ich selbst in der Eifel nicht. Als Lohn für die Anstrengung riss auch noch die Wolkendecke auf und die Sonne kam heraus. Die Temperatur blieb dabei wegen des Windes aber recht kühl.

Von dort oben hatte man einen herrlichen Weitblick. Der deutsche Pilgerführer hatte zwar rumgenörgelt ("Lohnt sich nur bei sehr gutem Wetter"), aber es war einfach phantastisch, auch wenn der Hintergrund etwas dunstig war.

An der Kirche traf ich auf einer Bank - Martina, die dort zu Mittag aß: Schokolade und das Tiramisu. Sie sah mich recht verwundert an, denn sie hatte mich ja beim Überholen nicht bemerkt.

Sie hatte auch noch kein Zimmer für heute Nacht, und die Versuche, sich sofort eines zu reservieren, scheiterten, weil niemand abhob.

Damit sie auch den weiteren Wegteil allein gehen konnte, machte ich keine Pause, sondern ging nach unserem kleinen Gespräch gleich weiter. Der Abstieg war schwierig. Grobes Geröll und Felsplatten sorgten dafür, dass man jeden Schritt konzentriert gehen musste. Nach etwa einer Stunde war ich wieder unten auf 400 Metern. Im Wald ging es noch einmal leicht aufwärts, dann erreichte ich die Straße und sah unter mir Chatelus-le-Marcheix liegen, mein heutiges Ziel.

Eine Bar-Epicerie hatte noch geöffnet, aber essen konnte man dort nicht mehr. Ich kaufte eine Viererpackung Joghurt und ein Glas Limonade und setzte mich nach draußen. Die nette Verkäuferin erklärte mir noch, wie ich zu meiner Gite fände (die Adresse stand nicht im Führer), und da es sich nur um ein paar Meter handelte, sagte sie dort auch noch Bescheid.

Während ich noch beim dritten Joghurt war, kam Martina auf der Straße vorbei. Sie hatte noch immer kein Zimmer und wollte jetzt danach suchen. Wäre sie einfach stehen geblieben! Wenige Minuten später kam nämlich meine heutige Wirtin und holte mich ab. "Meine" Gite hat 3 Räume, und ich bin der einzige Gast.

Ich hatte gedacht, dass während der französischen Sommerferien fast alles besetzt sein würde. Aber das Limousin ist kein Ort, wo die Franzosen ihren Urlaub verbringen (Warum eigentlich nicht?). Der Knackpunkt ist: Die Betreiber der Gites sind selbst im Urlaub, und man findet nur schwer eine, die geöffnet ist.

Als ich hier WhatsApp öffnete, erlebte ich noch eine Überraschung. Mathias hatte sich gemeldet und berichtete, er sei mit Nikita in Saint-Leonard-de-Noblat (meinem nächsten Zielort, wenn ich da ein Zimmer fest machen kann) und sei im Supermarkt von einem wildfremden Paar angesprochen worden, ob er Mathias sei. Das Rätsel löste er mit einem mitgeschickten Foto auf: Bernard und Andrea, das deutsche Ehepaar, das ich vor ein paar Tagen getroffen hatte, liest den Blog mit und hatte ihn und Nikita (und sicher auch das abenteuerliche Tandem) erkannt. Tatsächlich - wie bei einem Roman laufen die Handlungsfäden auch noch zusammen ;-D
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